Congratulations to Vito Žuraj and Michael Wendeberg: the production of the opera Blühen was elected as world premiere of 2023 in the yearbook of Opernwelt magazine! Even before the premiere, which was enthusiastically received by the press, Vito Žuraj had reported on the work on the opera in a detailed interview for our magazine.
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Mitten in den Proben steckt Vito Žuraj zum Zeitpunkt unseres Gesprächs, und er ist spürbar begeistert: „Ich bin bei den Proben von Anfang bis Ende vor Ort. Nicht, dass man mich immer benötigen würde. Aber es liegt in meinem Interesse, das Stück wachsen zu sehen. Tatsächlich ist es auch für die Mitwirkenden interessant, aus erster Hand Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Natürlich ergeben sich immer Änderungen, Korrekturen, und dann ist es am einfachsten, wenn der Komponist das mit dem Dirigenten und der Regisseurin schnell und unkompliziert klärt.“
Es mag fast verwundern, dass Vito Žuraj, der in seinen Werken so oft mit szenischen Elementen spielt und der so ideenreich und vielseitig für Gesangsstimmen geschrieben hat, erst jetzt – nach dem vor zehn Jahren entstandenen Einakter Orlando. Das Schloss – eine größere Oper komponiert. „Es brauchte eine Entwicklung“, erklärt der Komponist. „Ich habe schon früher musiktheatralische Konzepte entworfen, aber es standen immer auch andere Projekte an. Währenddessen ist meine Musiksprache reifer geworden. Als jetzt mit Händl Klaus ein namhafter Textautor im Spiel war, der mit der Erzählung Die Betrogene von Thomas Mann eine konkrete Idee mitbrachte, war der richtige Zeitpunkt gekommen.“ Zustande kam diese Zusammenarbeit durch Bernd Loebe, den Intendanten der Frankfurter Oper, der auch Brigitte Fassbaender als Regisseurin vorschlug. Die als Opernhaus des Jahres 2022 ausgezeichnete Bühne bietet mit einem wunderbar eingespielten Team beste Voraussetzungen für das Gelingen der Uraufführung
Es ist ein ungewöhnlicher Stoff, dem sich Komponist und Librettist mit der Oper in sieben Bildern gewidmet haben. Liebe und Tod stehen im Zentrum des Werkes – die Opernthemen schlechthin, sollte man meinen, doch kommen sie hier in unerwarteter Form daher. „Ich war sehr angetan von dem dramatischen Potential der Erzählung. Die Liebesgeschichte ist anders definiert, erfrischend anders“, so Vito Žuraj, der seinen Beschreibungen der Figuren gleich kleine musikalische Visitenkarten hinzufügt: „Die Hauptfigur Aurelia, Mutter von zwei Kindern – fantastisch interpretiert von der jungen neuseeländischen Mezzo-Sopranistin Bianca Andrew, verliebt sich in den wesentlich jüngeren Englischlehrer ihres Sohnes. Sie ist eine subtile Figur, eine sehr melancholische Gestalt, die sich gern schöne Sachen in die Erinnerung holt. Das habe ich verkörpert mit einem Spektralakkord und Saxophon; wenn die Liebe dazu kommt, gibt es keine wuchtige Orchestermusik, sondern zärtliche Obertonklänge im Kontrabass.“
Als gegensätzliche Figur steht dieser Mezzosopran-Hauptpartie ihre Tochter Anna gegenüber, die ein schwieriges Verhältnis zur Mutter hat – eine Sopran-Partie umspielt durch Klavierkaskaden. Neben den Partien des Sohnes Edgar und des jungen Geliebten Ken kommt einer Person in dem Stück besondere dramaturgische Bedeutung zu: „Der Arzt teilt Aurelia auf dem Höhepunkt ihrer Gefühle mit, dass ihre trotz der Wechseljahre wieder eingetretene Blutung nicht von der Weiblichkeit oder Liebe kommt, sondern durch eine tödliche Krebserkrankung. Das ist ein gewaltiger Umschwung, der diesen Text definiert, und der Arzt überbringt die Diagnose – ein Bass, ergänzt von einem tief spielenden Waldhorn.“
Es ist ein sehr langer Operntod, den Aurelia im letzten Bild sterben muss, umringt von den anderen Figuren – eine Szene von enormer Intimität und Fragilität, die allen Beteiligten viel abverlangt und in den Proben zu emotionalen Momenten geführt hat. „Auch Brigitte Fassbaender meinte, dass diese Todesszene eine der längsten ist, die sie in der Musikgeschichte kennt. Sie ist wunderbar ausgearbeitet von Händl Klaus und entwickelt sich zu einem richtigen Kern des Stücks. Sie ist auch der Teil des Librettos, der mich beim Komponieren am meisten mitnahm.“ Ein Wagnis, gibt der Komponist zu. „Aber auch ein Reiz, ein Anlass, musikalisch anders umzugehen mit der Stimme als in vielen anderen Werken, die ich bisher geschaffen habe.“
„Vielstimmig und am Ende sphärisch wird es in diesem letzten Bild. Es gibt noch ein zwölfköpfiges Vokalensemble, das erst dort in das Libretto integriert ist, aber vorher die Zwischenspiele mitgestaltet. Brigitte Fassbaender hat es wunderbar in das Geschehen integriert“, sagt Vito Žuraj, den die Zusammenarbeit mit der Regisseurin vollends begeistert hat. „Die Sänger sind phantastisch und sehr motiviert, und auch das Vokalensemble ist sehr intensiv dabei. Ich denke, das ist nicht zuletzt auch Brigitte Fassbaender zu verdanken. Es mag ein wunderbarer Zufall sein, dass in diesem Stück mit einer so großen Mezzosopran-Hauptpartie eine der bekanntesten Mezzosopranistinnen der Musikgeschichte Regie führt – eine Regisseurin mit viel Erfahrung. Sie hat ja bereits 85 Inszenierungen gemacht und sie ist mit ihren 83 Jahren immer noch so frisch, so fit, so humorvoll, so kreativ, so musikalisch wie ich selten jemanden erlebt habe. Ich genieße jeden Moment, wenn sie Regie führt, und auch aus diesem Grund möchte ich bei möglichst vielen Proben dabei sein. Und Michael Wendeberg führt die Proben mit einer fantastischen Raffinesse und Genauigkeit.“
Eine besondere Bedeutung hat für Vito Žuraj auch die Tatsache, dass das Ensemble Modern die Uraufführung bestreitet. „Ich empfinde das Ensemble Modern als meine musikalische Familie. Die prägendste Zeit für mich als Komponist war mein Jahr als Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie. In diesem Zusammenhang hat sich ein enger Kontakt zu fast allen Musikern des Ensembles ergeben – durch meine Musik, durch meine Kommunikation, durch meine Neugier. Dass ausgerechnet die Musiker, die ich am besten kenne und unheimlich schätze, meine erste abendfüllende Oper musikalisch mitgestalten, ist für mich ein Geschenk, und es war eine große Motivation beim Komponieren.“
Text und Interview: Nina Rohlfs, 1/2023